<Vorsorgendes Wirtschaften – ein Unternehmenskonzept für Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit>
Report Psychologie Nr. 07/08/2010, S. 318-32
<Frauen und Familie im Alltagsumfeld>
BDP-Bericht 2009, Psychologie Gesellschaft Politik
<Psychische Gesundheit von Frauen im Arbeitsleben>
Gesundheitsbericht BDP 17.12.2008
<Belastungen und Ressourcen von Frauen>
Report Psychologie 10/2007
<Wenn einem die Kollegen stinken>
SR-online, 17.11.2004
<Mehr Qualität für Eignungstests>
Saarbrücker Zeitung, 26.02.2004
Thema Mobbing: <Die Opfer stehen oft alleine da>
Saarbrücker Zeitung, 26.02.2004
<Der Eignungs-Test auf dem Prüfstand> (als pdf-Download 26 KB)
Saarbrücker Zeitung, 25./26.01.2003
Monika M. Fixemer, Sigrid Hopf, Inka Saldecki-Bleck:
Das Vorsorgende Wirtschaften orientiert sich an menschlichen Grundbedürfnissen und relativiert dadurch die Dominanz des Geldes in der Wirtschaft. Dieses Konzept zeigt die engen und sehr komplexen Wechselwirkungen zwischen Naturressourcen, zwischenmenschlichen Beziehungen und Leistungen, und der Produktion von Waren und persönlichen Diensten. Die dadurch nötigen Umdenk- und Umlernprozesse stellen spezielle Anforderungen an die Unternehmensführungen, die von der Psychologie unterstützt und mitgestaltet werden sollten.
Das Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens wurde Anfang der Neunziger Jahre von feministischen Ökonominnen aus Unzufriedenheit über die damalige Diskussion um nachhaltiges Wirtschaften entwickelt.
Zeitgleich wurde ein Netzwerk Vorsorgendes Wirtschaften gegründet, in dem Wissenschaftlerinnen und Praktikerinnen verschiedenster Fachgebiete aus Deutschland, Schweiz, Österreich an der Weiterentwicklung dieses Konzeptes arbeiteten. Erste Veröffentlichungen des Netzwerkes vorsorgendes Wirtschaften entstanden im Jahr 1994 (Busch-Lüty et al. 1994), im Jahr 2000 (Biesecker et. al, 2000) ein erster Überblick zu diesem Bereich.
Das Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens stellt eine konstruktive Alternative zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise dar. Die Finanzkrise zeigte bzw. zeigt deutlich die Mankos der vorherrschenden Ökonomie, denn danach ist es vernünftig so viel Gewinn wie möglich in kürzester Zeit zu erzielen, losgelöst von sozialen und natürlichen Lebensprozessen.
Parallel dazu war und ist unser Zeitalter mit weiteren Krisen konfrontiert (Klima, Energie, Wasser, der Nahrungsmittelverteilung, Armut).
Diese Krisen sind (Biesecker/ Hofmeister, 2003) nicht getrennt von einander zu sehen; sie sind systemisch. Die vorherrschende Ökonomie grenzt Produktivität und Reproduktivität der Natur und von sorgenden weiblichen Tätigkeiten aus und bewertet sie nicht mit.
Folge des rein finanzmarktgetriebenen Kapitalismus sind nun fehlende Gelder im Bereich der realen Ökonomie besonders in den Sorge-Bereichen wie Kinderkrippen, Kindergärten, Grundschulen, in der Pflege, denn Sorge für andere ist nach diesem System leider nicht vernünftig.
Während bisher in der traditionellen Ökonomie ökologische als auch sozial-lebensweltliche Produktivitäten ausgegrenzt wurden, integriert das Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens nun diese Bereiche und betrachtet ausgehend von den überwiegend von Frauen geleisteten sozialen Tätigkeiten und der Ökologischen Natur aus die Marktökonomie.
Hierbei werden die sorgenden Tätigkeiten, die Ökologie als Basis angesehen, auf denen die Marktökonomie aufbaut. Davon ausgehend lässt sich die Frage ableiten, welche Märkte nun dem Menschen und der Umwelt dienen und gut tun.
Die Ganzheit der Ökonomie besteht somit nach dem Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens aus einer Verbindung von Marktökonomie und Versorgungsökonomie. Mit dieser Einbeziehung des Versorgungsbegriffes werden auch gleichzeitig die Geschlechterverhältnisse in der Ökonomie stärker betont. Anders als in der traditionellen Ökonomie werden die Märkte als soziale Konstrukte betrachtet.
Biesecker, Kesting (2003) charakterisieren Vorsorgendes Wirtschaften über drei Handlungsprinzipien:
Nach dem Menschenbild dieses Ansatzes leben Menschen in sozialen Beziehungen und sorgen für sich als auch andere. Darin sind insbesondere zukünftige Generationen, asymmetrische Sorgebeziehungen von zu Betreuenden als auch die Schonung und das Gedeihen lassen der natürlichen Umwelt einbezogen. Die Bedürfnisse aller sind hier zentral.
Kooperatives Wirtschaften beinhaltet einen Verständigungsprozess, bei dem lebensfreundliche und ökologische wirtschaftliche Formen gesucht werden.
Da quasi sprachlose Agenten wie die natürliche Umwelt oder zukünftige Generationen daran beteiligt sind, wird an dieser Stelle der Begriff Verantwortung bedeutsam; er meint hier eine äquivalente Berücksichtigung dieser Agenten. Von daher ist diese Kooperation auch prozess- und nicht nur zielorientiert.
Hier geht es darum, dass das was Menschen für ein von ihnen definiertes Gutes Leben benötigen, gemeinsam erarbeitet wird: Wie Gutes Leben definiert wird, wird prozesshaft immer wieder aufs Neue von allen in öffentlichen Erörterungen bestimmt.
Interessant sind in diesem Zusammenhang Studienergebnisse der new economics foundation (2009), nach denen die Leistungen schlecht bezahlter Berufsgruppen wie Putzkräfte, Angestellte der Müllabfuhr und in der Kinderbetreuung Tätige einen gesellschaftlichen Nutzen bringen, der ihr Einkommen um ein Mehrfaches übersteigt.
Das Prinzip des Vorsorgenden Wirtschaften verwendet einen Wohlfahrtsbegriff, der mehrdimensional und vielfältig ist und den man nicht nur über Geld kalkulieren kann. (Vergleiche Human development index).
Das Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens verbindet über diese 3 Handlungsprinzipien die soziale und die ökologische Dimension mit der ökonomischen Dimension und integriert auf diese Weise diese in der kapitalistischen Ökonomie abgetrennten Bereiche.
Der gesellschaftliche Produktionsprozess ist jetzt als eine Einheit von Produktion und Reproduktion konzipiert.
Vernünftig ist das wirtschaftliche Handeln, das gleichzeitig den Bedürfnissen der Menschen und den Regenerationsprozessen der Natur entspricht. Sehr wichtig wird nun die Rationalität des Gestaltens.
In der Produktivitätstheorie mit der Kernkategorie (Re) Produktivität stellt Biesecker/Hofmeister (2003) diesen Prozess dar:
(Re)Produktivität bedeutet danach die »prozessuale, nicht durch Abwertungen getrennte Einheit aller produktiven Prozesse in Natur und Gesellschaft, bei gleichzeitiger Verschiedenheit.« Dies beinhaltet ein qualitatives, an sozial-ökologischen Kriterien ausgerichtetes Produktivitätskonzept. Die Gesellschaft wird nun der aktive Part und legt jetzt diese Kriterien fest.
Die Ökonomie selber umfasst dadurch die Versorgungsökonomie als auch ökologische Produktionsräume. Parallel dazu verlaufen gesellschaftliche (politische) Bewertungs- und Gestaltungsprozesse, die gleichzeitig wieder prägend wirksam sind. Dadurch findet endlich eine dauerhafte und zukunftsfähige Gestaltung von Natur- und Geschlechterverhältnissen statt. Die einzelnen Produktionsphasen sind stofflich und sozial-kulturell definiert. Wichtig für die einzelnen Produktionsabschnitte ist, dass ein spezifisches Produktionsbündel entsteht, dass die adäquate Kombination von Natur- und Arbeitsproduktivität beinhaltet.
Biesecker/Hofmeister (2003) halten mindestens drei Dimensionen in diesem Produktionsprozess für sehr wichtig:
1. Die materiell-technische Dimension:
Diese Ökonomie berücksichtigt energetisch die umfassende Nutzung erneuerbarer Energien. Es werden Güter und Dienstleistungen hergestellt, die ein nach sozial-ökologischen Kriterien definiertes Naturprodukt darstellen. Biesecker/Hofmeister (2003) postulieren für diese neue Ökonomie eine sozial-ökologische Technik- und Produktentwicklung, in die sowohl das traditionell-männliche Expertenwissen als auch traditionell weibliches Gebrauchswissen der KonsumentInnen eingehen. Dualistische Geschlechterverhältnisse fangen dadurch an, sich in diesem Prozess aufzulösen.
2. Die Sozio - kulturelle Dimension:
Es findet nun auch eine Elaborierung des Begriffes Arbeit statt, der meist mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt wird. Unter diesen Begriff Arbeit fallen weitere Arbeitstypen wie Versorgungsarbeiten (zur Care - Arbeit: Madörin, 2009, S.66;
Jochimsen, Knobloch, 1997; Bücker-Gärtner, Hopf, 2000), Eigenarbeit (definiert als Arbeit für sich), Freiwillige Arbeit in und an der Gesellschaft, Bürgerschaftliches Engagement. Ökonomisch wertvoll ist jetzt die Produktivität aller menschlichen und nicht menschlichen Handelnden. Dies führt zu einer weiteren sehr wichtigen Implikation, dass auch soziale nicht ohne Qualitätsverlust rationalisierbare Arbeiten von Frauen in dieses Konzept integriert werden müssen. Diese Arbeitstypen mit ihren spezifischen Produktivitäten besitzen alle die gleiche Wichtigkeit und den gleichen Wert. Geschlechtsspezifische Zuordnungen, Abwertungen, Wertehierarchien finden in dieser neuen Ökonomie keine Begründung und behindern massiv die Ausgestaltung gesellschaftlicher (Re) Produktionsprozesses. Stattdessen sind hier gleiche Erfahrungen, Kommunikation über Werte, Diskurse von Bedeutung. Dies funktioniert nur auf der Basis einer Geschlechtergerechtigkeit, die nun zur Basisressource einer nachhaltigen Ökonomie wird (Biesecker/Hofmeister, 2003).
3. Die kulturell-symbolische Dimension:
Eine Gesellschaft mit reproduktiver Ökonomie löst auch die kulturellen-symbolischen Attributionen für Männer und Frauen auf, hier vor allem die Biographie der Familienarbeit von Frauen als auch die Erwerbsarbeit von Männern. Es gibt keine geschlechtliche Arbeitsteilung mehr. Obwohl viele Frauen schon lange nicht mehr nach dieser tradierten kulturell-symbolischen Zuweisung ihr Leben gestalten, ist dagegen das männliche Selbstverständnis noch sehr fest mit dieser alten Männerrolle konnotiert und stellt sich nur langsam um. Statt einer Hierarchie der Geschlechter existiert jetzt ein Verhältnis von gleichwertiger Kooperation von ähnlichen und verschiedenen Menschen.
Diese neue Ökonomie stellt eine demokratische Mehr-Ebenen-Ökonomie dar, die über bewusste Regulierungsprozesse (Abstimmungs- und Verständigungsprozesse) von der Gesellschaft auf allen Ebenen (z.B. Haushalt, Unternehmen, Ort, Region, Land, EU, Welt) gestaltet und gesteuert wird. Eine besonders wichtige Aufgabe liegt hierbei in der Aufwertung der sozialen Sorgearbeit von Frauen (Produktivität der familialen Leistungen, 7. Familienbericht, 2006) und der Umverteilung der verschiedenen Arbeitsarten.
Die Arbeitsstrukturierung, die Arbeitsbedingungen, die Gestaltung, Ausbildung und Entlohnung der einzelnen Menschen wird jetzt mit zur Aufgabe der Politik und ist nicht mehr nur alleine die Aufgabenstellung des Arbeitsmarktes.
Eine nachhaltige Ökonomie berücksichtigt alle Kosten bei den Preisen. Preise stellen gleichzeitig auch reproduktive Preise dar, die so zu gestalten sind, dass Recycling verbrauchter Stoffe möglich wird. Stringent für die Lohnkosten ist, dass sie für ein gutes Leben in der Gesellschaft ausreichen.
Über schrittweise, branchen- und sozialgerechte Verkürzung der Erwerbsarbeit wird eine Neuverteilung von Arbeit insgesamt und die Entwicklung der bisher abgewerteten und ausgegrenzten sozialen Arbeit von Frauen als auch der bürgerlichen, gesellschaftlichen Arbeiten möglich zur Unterstützung der Naturprozesse und für freie Zeit.
Problematisch ist bei dieser Umverteilung für Frauen noch, dass Frauen zu wenig an einträgliche, sichere, und einflussreiche Erwerbsarbeit herankommen, während sich Männer meist zu wenig an Sorgearbeit beteiligen.
Dass aber gerade eine Umverteilung der Erwerbsarbeit sehr wichtig ist, zeigte sich besonders im Verlaufe der drastischen Finanzkrise 2008/2009 in der vor allem Frauen, Managerinnen, Unternehmerinnen sehr gute unternehmerische Fähigkeiten bewiesen. Studien des National Council for Research on Women (2009) konnten belegen, dass je mehr Frauen im Management einer Firma saßen, desto geringer fiel der Aktienkurs dieser Unternehmen ab. Ähnliche Ergebnisse bei Hedge Fund Research Incorporated: Die Fonds, die Frauen managten, legten von 2000 bis 2009 um durchschnittlich neun Prozent zu, bei Männer betrug dieser Zuwachs nur 6 Prozent. Zusätzlich stürzten die Fonds von Männern während der Finanzkrise um 19 Prozent ab, die der Frauen nur um zehn Prozent. Darüber hinaus fand eine Studie von McKinsey (2007), dass Firmen mit einem höheren Frauenanteil im Top-Management besser abschnitten und einen höheren Börsenwert erzielten als der Industriedurchschnitt.
Zu mehr Beteiligung von Männern an der Sorgearbeit verhelfen u. a. Betriebsvereinbarungen und bezahlte Vätermonate. Um beides besser wahrnehmen zu können, muss künftig persönliche Sorgearbeit in das männliche Rollenverständnis einbezogen werden.
So lassen sich Frauenarmut nach langen Betreuungszeiten sowie Erwerbslosigkeit neben Arbeitsüberlastung besser beheben und einer drohenden weiteren Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche kann entgegengewirkt werden. Gleichzeitig ist eine Aufwertung der Sorgearbeit selber sehr wichtig.
Um Zukunftsfähigkeit zu erreichen ist ein großflächiger Ausbau von Krippen und Kindergärtenplätzen mit Familien unterstützenden bindungsfreundlichen pädagogischen Konzepten einschließlich der Finanzierung für die unteren Einkommensgruppen durch die Gesellschaft erforderlich.
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Literatur
Berichte über die Menschliche Entwicklung (1992, 1998) Hrsg.: Entwicklungsprogramme der Vereinten Nationen (UNDP).Bonn: UNO-Verlag.
Biesecker, Adelheid; Kesting, Stefan (2003): Mikroökonomik, R. Oldenbourg Verlag München Wien
Biesecker, Adelheid; Mathes, Maite; Schön, Susanne; Scurell, Babette (Hg.) (2000): Vorsorgendes Wirtschaften. Auf dem Weg zu einer Ökonomie des Guten Lebens. Kleine Verlag, Bielefeld.
Biesecker, Adelheid; Hofmeister, Sabine (2003): (Re)Produktivität der "blinde Fleck" in Hofmeister, Sabine; Karsten, Maria-Eleonora; Mölders, Tanja (Hg.): Zwischentöne gestalten: Dialoge zur Verbindung von Geschlechterverhältnissen und Nachhaltigkeit, Opladen 2003.
BMFSFJ (2006): 7. Familienbericht. Familien zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/1360.
Bücker-Gärtner, Christine; Hopf, Sigrid (2000): Arbeit und Gender aus psychologischer Sicht. Zeitschrift für politische Psychologie, 8, Heft Nr.2+3, S.123-124.
Busch-Lüty,Christiane; Jochimsen, Maren; Knobloch Ulrike, Seidl, Irmi (Hg.) (1994): Vorsorgendes Wirtschaften: Frauen auf dem Weg zu einer Ökonomie der Nachhaltigkeit. Politische Ökologie, Sonderheft 6, Ökonom, München.
Hedge Fund Research: HFR Emerging Markets HF Industrie Report: Year End 2009 (Chicago)
Jochimsen, Maren; Knobloch, Ulrike (1997): Making the hidden visible: The importance of caring activity and their principles for any economy(ecological economics) Band 20 (1997), (S.107 - S.112.
Madörin, Mascha (2009): Beziehungs - oder Sorgearbeit? Versuch einer Orientierung.(S.66-S.69) in Olympe Heft 30, Dezember 2009, Feministische Arbeitshefte zur Politik: Car-Ökonomie. Neue Landschaften von feministischen Analysen und Debatten, Olympe (Ottenbach).
McKinsey-Studie (2007): Flexible Arbeitsmodelle fördern Frauen (Düsseldorf).
The National Council for Research on Women (2009): The report women in fund management: a road map for achieving critical mass (New York).
The new economics foundation (2009): A Bit Rich: Calculating the real value to society of different professions (London).
BDP • Psychologie Gesellschaft Politik – 2009
Monika Fixemer, Inka Saldecki-Bleck, Sigrid Hopf
Zusammenfassung Die Aufgabenteilung zwischen Frauen und Männern bei der Kindererziehung, Hausarbeit und Berufstätigkeit prägt die Situation von Familien. Im Beitrag wird auf die diesbezüglichen Belastungen von Frauen eingegangen. Auch die Wirkung äußerer Einflüsse - zum einen durch das soziale Umfeld, zum anderen durch gesellschaftliche Entwicklungen wie die Verbreitung neuer Medien - wird beleuchtet. Geringere Verdienstmöglichkeiten bei Frauen in Verbindung mit verschärften Arbeitsbedingungen für beide Elternteile (Arbeitsverrichtung, Mobilitätsanforderungen) führen häufig zur Erschöpfung und zu Frustrationen im Familienleben und beeinträchtigen sowohl die Erziehungsqualität als auch das Familienklima. Der Beitrag stellt einen Zusammenhang zwischen der Verbesserung der finanziellen und gesundheitlichen Situation von Frauen und der Verbesserung der Bildung und Gesundheit von Kindern her. Er geht schließlich auf die Folgen von Gewalt durch Partner und Expartner ein, von der Frauen und infolge der Auswirkungen auf Familie und Erziehung - auch ihre Kinder in besonderem Maße betroffen sind.
Schlagworte Vereinbarkeit Familie und Beruf, Einfluss des sozialen Umfelds und der Medien auf das Familien Klima, Arbeitsbedingungen von Frauen, Gewalt gegen Frauen
Die entscheidenden Prägungen der Kinder finden in den ersten Lebensjahren statt. Eine optimale Betreuung der Kinder, besonders in dieser Zeit, ist deshalb unabdingbar. Um ein gutes Entwicklungsklima für Kinder zu schaffen, sind zugewandte, zufriedene Eltern oder Bezugspersonen von größter Bedeutung. Wie sehen die Familiensituation und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konkret aus? Laut Angaben des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2007 in 51% der Familien beide Eltern berufstätig (Statistisches Bundesamt, 2008). Nach dem traditionellen Familienbild - Vater verdient das Geld, Mutter kümmert sich um die Kinder - lebte etwa jede dritte Familie (35%), in Ostdeutschland nur 8%. Doch auch bei Eltern, die beide erwerbstätig sind, sind die Rollen überwiegend klassisch verteilt. Bei drei Vierteln der Elternpaare ist der Mann der Hauptverdiener mit Vollzeitstelle, und die Frau arbeitet Teilzeit. Nur in 2% der Familien ist die Frau die Hauptverdienerin. Eine repräsentative Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2007 belegt, dass die Frauen die Hauptlast der Familie tragen (Institut für Demoskopie Allensbach, 2007). Von den Müttern, die den Haushalt fast allein führen, sind 17% ganztags berufstätig, 38% haben einen Teilzeitjob. 10% der Väter bekennen, dass sie sich gern vor der Haushaltsarbeit drücken, 6% sehen Familienarbeit gar nicht als ihre Aufgabe an.
Ob und in welchem Umfang Mütter erwerbstätig sind, richtet sich stark nach dem Alter des jüngsten Kindes. Solange der Nachwuchs noch im Krippenalter ist (unter drei Jahren), sind es nur 30% der Mütter. Erreicht das Kind das Alter zwischen drei und fünf Jahren, sind es bereits doppelt so viele (58%), allerdings in Teilzeit. Bei den Vätern liegt die Teilzeitquote bei lediglich 5%. Bei der Berufstätigkeit der Mütter gibt es deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. In den neuen Bundesländern kehren viele Mütter nicht nur früher wieder in den Beruf zurück, sondern sie arbeiten auch häufiger Vollzeit (52%) als Mütter im Westen (22%
(Statistisches Bundesamt, 2008).
Von zentraler Bedeutung sind Ruhe und Zeit sowohl für die Entwicklung der Kinder als auch für die Gesundheit der Eltern. Eltern stehen häufig vor der Wahl zwischen Karriereverzicht oder Zeitnot. Entlastung für die Familie kann der Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung schaffen. Während in den neuen Bundesländern und in großen Städten eher gute Kinderbetreuungsangebote bestehen (Plätze für unter Dreijährige, lange Öffnungszeiten, guter Personalschlüssel, gute Erreichbarkeit), sind in eher traditionell geprägten und ländlichen Gegenden die Kinderbetreuungsangebote unzureichend. Bei einer Gruppengröße von 30 Kindergartenkindern mit ein bis zwei Erzieherinnen ist keine ausreichende Förderung der Kinder zu gewährleisten. Das Geld, das heute für die Kinder vom Staat gezahlt wird (Kindergeld, Steuerfreibeträge), kommt nicht unbedingt den Kindern direkt zugute. Das Beispiel Thüringen zeigt, dass, wenn Kinderbetreuungsangebote zurückgenommen werden und dafür Geld an die Eltern ausgezahlt wird, gerade sozial schwache Eltern ihre Kinder nicht mehr zur öffentlichen Kinderbetreuung schicken, wo die Kinder gut gefördert werden könnten, sondern die Kinder zu Hause behalten und oft der Fernsehapparat oder andere Medien als Babysitter eingesetzt werden. So werden Förderungsmöglichkeiten von Kindern, insbesondere denen der sozial Schwachen, versäumt.
Psychische Gesundheit in der Familie betrifft beide Geschlechter, alle Altersstufen und Lebensphasen und vor allem das Beziehungsgeflecht untereinander. Nach Bryant (1985) entwickeln Kinder ihre sozial kommunikativen Fähigkeiten und die Einfühlung in andere umso besser, je mehr sie Verwandte, Freundinnen und Freunde sowie Nachbarn im Wohnumfeld selbst aufsuchen und Kontakte mit ihnen pflegen können. Dabei hatten Mädchen den größeren Gewinn wenn sie - eventuell nur wenige, aber herzliche - enge Beziehungen pflegten. Jungen gewannen mehr durch eine größere Zahl von vertrauten Personen mit jeweils begrenzten gemeinsamen Interessengebieten.
In einer Pilotstudie in einem gemeinschaftlich geplanten und verwalteten Ökodorf mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen fand Hopf (1994) u.a., dass Mütter durch das gemeinsam aufgebaute nachbarschaftliche Netzwerk über erhebliche Erleichterungen bei ihrem Wiedereinstieg in ihren Beruf, bei der Geburt eines weiteren Kindes und bei Krankheit berichteten. Hier wird das Konzept „The strength of weak ties" (Granovetter, 1973) deutlich: Weniger enge, aber verlässliche Beziehungen können die engen, verpflichtenden Beziehungen in der Kern-familie schützen, entlasten und dadurch stärken. Freilich bedarf es jeweils des persönlichen Einsatzes beim Aufbau und Erhalt solcher stützenden Netzwerke. Das erfordert Zeit, Kraft, Initiative und soziale Kompetenzen, die wiederum in einem Netzwerk gestärkt werden können. Menschen, die den größten Teil ihrer Zeit für die Erwerbsarbeit - oft mit langer Abwesenheit von zu Hause, Schichtdienst, unsicheren Arbeitsverträgen, Verpflichtung zu beruflicher Mobilität etc. - einsetzen müssen, schaffen den Aufbau solcher Netzwerke und die Beteiligung daran nicht mehr. Die Motivation und die sozialen Fähigkeiten dafür können verkümmern.
Luthman (2008) berichtet vom Ergebnis einer Untersuchung, nach der Computerspiele häufiger gekauft werden. Am beliebtesten sind sogenannte „Schießspiele". Ein Drittel der Kunden sind Frauen, zwei Drittel Männer. Das Durchschnittsalter beträgt 25 Jahre. 11% der Spieler spielen mehr als 15 Stunden in der Woche. Am meisten anfällig sind Jungen im Alter von zwölf bis 15 Jahren. Eine Korrelation zwischen Spielhäufigkeit und Aggression wurde festgestellt. Die Auswirkungen der Nutzung von Medien auf das Familienleben gehen schon rein zeitlich zulasten einer realen Kommunikation. Hier besteht ein Gefahrenpotenzial für die Zukunft familiärer Kommunikation, die modellbildend für spätere Verhaltensweisen ist. Hinzu kommt der Fernsehkonsum, der die Gefahr birgt, familiäre Kommunikation zu reduzieren.
Im Jahr 2007 waren 18% der Eltern (meist Mütter) alleinerziehend (Statistisches Bundesamt, 2008). Dass Kinderarmut bei Alleinerziehenden besonders häufig auftritt, ist in zahlreichen Untersuchungen belegt. Aufgrund unzureichender Kinderbetreuungsmöglichkeiten reduzieren Frauen in der Ehe häufig ihre Erwerbstätigkeit. In der Ehe wird im Steuer und Sozialsystem die Einverdiener-Ehe gefördert, nicht die eigenständige Existenzsicherung der Frau (Blitz, 2008). Kaum eine Frau kann dort an den Beruf anknüpfen, wo sie vor der Geburt der Kinder aufgehört hat, selbst dann nicht, wenn eine optimale Kinderbetreuung gegeben ist. Bei einer Scheidung kommt die kaum vorhandene eigenständige Existenzsicherung der Frau zum Vorschein. Unterhaltszahlungen (meist der Männer an die Frauen) werden in millionenfacher Euro-Höhe nicht geleistet. So geraten viele alleinerziehende Frauen in die Armut des Arbeitslosengeldes 2 und mit ihnen ihre Kinder.
Auch bei Frauen, die nie verheiratet waren, führt die Geburt eines Kindes meist zur Einschränkung der beruflichen Karriere. Sie müssen Beruf und Kinderbetreuung allein organisieren. Obwohl die gesetzliche Schlechterstellung nicht ehelicher Kinder teilweise beseitigt wurde, bleibt auch hier die hohe zusätzliche Belastung der Alleinerziehenden. Dies führt oft zu Überforderungssituationen oder gar Krankheit von Alleinerziehenden.
Verschärfte Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt betreffen vor allem Frauen. Noch immer verdienen Frauen bei gleicher Arbeit 22% weniger als Männer (nach dem statistischen Bundesamt im August 2008 sogar 24%).
Damit liegt Deutschland europaweit - hier beträgt der Unterschied 15% - auf dem viertletzten Platz. Auch im Bereich der Führungspositionen von Frauen im Wirtschaftsbereich und z.B. bei Professuren ist das Ungleichgewicht zulasten von Frauen frappant. So kann man in den hundert größten deutschen Unternehmen Frauen in Vorstandspositionen an einer Hand abzählen, in den deutschen Dax-30-Unternehmen gab es im Jahr 2004 nur eine Vorstandsfrau. Frauen arbeiten überproportional häufig in schlechter zahlenden Branchen und geringer entlohnten Beschäftigungsfeldern und Berufen. Durch diese massiven Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, den zunehmenden „Kampf um den Erwerbsarbeitsplatz" allgemein und die Arbeitsverdichtung kommen beide Eltern abends oft erschöpft, frustriert und überarbeitet von ihrem Erwerbsarbeitsplatz zur Familie zurück. Oft fehlt ihnen die Kraft, sich ruhig und angemessen mit ihren Kindern und ihrem Partner bzw. mit den täglich an stehenden Fragen auseinanderzusetzen. Gereiztheit und Streit entstehen schneller. Auf die Kinder wird schon früh Druck ausgeübt, gute Schulleistungen zu erbringen, um eine adäquate Qualifikation für das spätere Erwerbsleben zu erreichen. Schichtpläne, die den Arbeitnehmern nur kurzfristig mitgeteilt werden, führen dazu, dass Unternehmungen mit der Familie kaum planbar sind. Für eine Verbesserung der psychischen Gesundheit in der Familie ist der weitere Ausbau familienfreundlicher Erwerbsarbeitsbedingungen notwendig, auch für Männer. Gleichgewichtige Mitwirkung von familienerfahrenen Frauen und Männern in Entscheidungspositionen müssten diese Ansätze voranbringen. Mobilität wird von den Betroffenen kaum positiv erlebt. 67% erleben Mobilität als Zwang oder notwendiges Erfordernis. Erschöpfung und fehlende Zeit für soziale Kontakte sind zwei häufig genannte Nachteile. Auch dies geht zulasten der Familie und der Kinder.
Auch in der Bundesrepublik Deutschland reduziert sich Gewalt gegen Frauen nicht auf ein Randproblem. Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2007) wurden rund 37 Prozent aller Frauen zwischen 16 und 85 Jahren mindestens einmal Opfer von körperlicher Gewalt oder Übergriffen. Frauen erleiden Gewalt durch Männer überwiegend im häuslichen Umfeld (BMFSF 2004a). 60% der befragten Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides (13%) erlebt.
Unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung haben 58% erlebt, 42% berichten über Erfahrungen von psychischer Gewalt. Besonders Frauen in Trennung hatten ein erhebliches Risiko, Gewalt oder auch Stalking zu erfahren. In 80% der Stalkingfälle mit eher schweren Folgen für die Opferseite sind Stalker männlich (Hoffmann, 2005). Obsessive Stalker sind häufig Expartner – Voß, Hoffmann und Wondrack (2005) berichten eine Rate von 59% Expartnern unter Stalkern. Sie konnotieren diese Konstellation auch als diejenige mit dem zugleich höchsten Eskalationspotenzial.
Die körperlichen Verletzungen aus Übergriffen, die 55% aller Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr körperliche Gewalt erlebt haben, und 44% aller Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, davongetragen haben (BMFSF, 2004a), reichten von blauen Flecken und Schmerzen im Körper bis hin zu Verstauchungen, offenen Wunden, Knochenbrüchen und Kopf-/Gesichtsverletzungen. Psychische Folgen umfassen Schlafstörungen, erhöhte Ängste, vermindertes Selbstwertgefühl, Niedergeschlagenheit, Depression, Selbstmordgedanken, Selbstverletzung, Essstörungen und je nach Gewaltart auch erhöhte Krankheitsanfälligkeit, Leistungsbeeinträchtigungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Alle Formen von Gewalt gegen Frauen führen zu massiven psychischen, psychosozialen und gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen und verursachen hohe ökonomische Folgekosten.
Gewalterfahrungen wirken sich auf die sozialen Bindungen aus und damit auch auf die psychische Gesundheit der Familie. Die geringe eigene Existenzsicherung von Frauen macht es ihnen oft schwer, gegenüber ihrem Partner Grenzen zu setzen. So verharren nicht wenige Frauen in einer Ehe, in der ihnen psychische und physische Gewalt zugefügt wird. Die WHO weist im Jahr 2002 in ihrem Bericht darauf hin, dass Gewaltopfer in der Gesundheitsversorgung fünfmal höhere Kosten verursachen als andere Patientinnen. Die Auswirkungen auf die Kinder, die in einer Familie leben, in der Frauen Gewalt angetan wird, wirken bis in die Folgegeneration nach.
Fazit
Die Formen, wie Familien gesund zusammenleben, sind vielfältig geworden. Gesellschaftlich befinden wir uns im Umbruch vom traditionellen Familienbild zu anderen Lebensformen. Jede bewusste oder unbewusste Entscheidung zu einer Familienform muss einzeln analysiert und bewertet werden. Die Hauptlast der unbezahlten Familien und Haushaltsarbeit liegt weiter bei den Frauen. Große wirtschaftliche Nachteile bestehen bei den Frauen: Weltweit sind drei Fünftel der Ärmsten und zwei Drittel der Analphabeten Frauen (Supp, 2009). Zählt man die unbezahlten Arbeiten mit, dann werden zwei Drittel aller Arbeiten von Frauen erledigt, wofür sie nur 10% der Weltlohnsumme erhalten. Vom Vermögen aller Länder besitzen sie 1%. Deutschland steht auf Platz 20 des „Gender-related Development Index" der UNO und hat noch viel aufzuholen in Bezug auf politische Machtverteilung und Einkommen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Gesundheit und Einkommen, was deutliche Auswirkungen auf die Familie und damit auch auf die Zukunft der Kinder hat.
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Literatur
Blitz, M. (2008). Die Frau, ein abgeleitetes Wesen? Schrägstrich, 9,13.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2007). Sechster Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW). Unterrichtung durch die Bundesregierung.
Bryant, B. K. (1985). The neighborhood walk, sources of support in middle childhood. Monographs of the Society for Research in Child-Development, 50 (3), 1122.
Granovetter, M.S. (1973). The strenghts of weakties. American Journal of Sociology, 78, 13601380.
Hoffmann, J. (2006). Stalking. Heidelberg: Springer.
Hopf, S. (1994). Nachbarschaftsbeziehungen -Entwicklung in einem ökologisch motivierten Wohnprojekt. Umwelterziehung, 1, 2325.
Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.) (2007). Vorwerk Familienstudie 2007. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zur Familienarbeit in Deutschland.
Luthman, S. (2008). Game over: Back in reality? Results of a questionnaire for transfer processes between the virtual and real world. 29th International Congress of Psychology, Berlin, Germany, July 20 - 25, 2008. In Dalbert, C. (Ed.), International Journal of Psychology, Abstracts of the XXIX International Congress of Psychology, Berlin, Germany July 2025, 2008, 229. Psychology Press.
Supp, B. (2009). Planet der Frauen. Der Spiegel, 5, 43.
Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2008). Familienland Deutschland. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 22. Juli 2008 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Voß, H.G. W., Hoffmann, J., Wondrack, I. (2005). Stalking in Deutschland. Aus Sicht der Betroffenen und Verfolger. BadenBaden: Nomos. World Health Organisation (WHO) (2002). World report on violence and health. Genf.
BDP • Psychologie Gesellschaft Politik – 2008 27
Inka Saldecki-Bleck, Sigrid Hopf, Monika Fixemer, Christine Bücker-Gärtner
Der vorliegende Artikel betont die Notwendigkeit eines erweiterten Begriffs von Arbeit und Arbeitsplatz, um der Fragestellung nach psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz gerecht zu werden. Die Autorinnen verdeutlichen, dass bei der Thematisierung dieser Problematik die Geschlechterperspektive zu beachten ist. Die klassische Doppelbelastung von Frauen durch Familien- und Erwerbsarbeit und die damit verbundenen Gesundheitsbelastungen werden aufgezeigt. Eine einseitige Flexibilisierung des Arbeitsmarkt wird kritisiert, da die damit verbundenen stressinduzierten Gesundheitskosten zu hoch sind und Modelle angedacht werden müssen, die Flexibilität im Sinne von Vereinbarkeit der Erwerbsarbeit mit Familienarbeit sowie familienfreundlichen Arbeitgebern auch in die andere Richtung sicherstellen.
Die Berichte zur menschlichen Entwicklung an die UNO haben gezeigt, dass Frauen weltweit 60 bis 80% aller Arbeit einschließlich unbezahlter Familienarbeit leisten, etwa 10% aller Einkommen beziehen und 1% Anteil an allem Besitz haben (Sadik, 1994). Diese Zahlen regen dazu an, den Begriff „Arbeit“ sorgfältig in verschiedenen gebräuchlichen Bedeutungen zu betrachten: Im allgemeinen Sprachgebrauch steht „Arbeit“ ausschließlich für „bezahlte Arbeit“, wodurch die unbezahlten, gleichwohl (über-)lebensnotwendigen Arbeiten, die fast überall auf der Welt von Frauen geleistet werden, aus dem Bewusstsein verschwinden bzw. unreflektiert zur Freizeit gerechnet werden. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, gilt es, einerseits den Arbeitsbegriff, der klassischerweise nur die Erwerbs- und Berufsarbeit meint, um die Familienarbeit (inklusive Beziehungs-, Erziehungs-, Haus- und Sorgearbeit) zu erweitern (Bücker-Gärtner & Hopf, 2000) und andererseits die verschiedenen Arbeitsformen und die damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen geschlechterdifferenziert zu betrachten (Babitsch, 2006). Dabei bezeichnet „gender“ das Geschlecht als gesellschaftlich bedingten, sozialen Sachverhalt und umschließt als Begriff u.a. die Selbstwahrnehmung von Männern und Frauen und davon abgeleitet ihr gesellschaftliches (Rollen-)Verhalten (Meyers Großes Taschenlexikon, 2003).
Zunehmend sparen Firmen Kosten ein, indem sie Personal entlassen. Das führt zu steigender Arbeitsbelastung bei der verbleibenden Belegschaft, da weniger Menschen unter mehr Druck dieselbe Arbeitsmenge verrichten müssen (Arbeitsverdichtung). Als Folge steigt die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aus
psychischen Gründen, und Burnout-Syndrome werden häufiger. Es wird darum gekämpft, einen Arbeitsplatz zu bekommen oder ihn zu behalten. Das Klima in der Firma und unter den Kolleginnen und Kollegen verschärft sich. Gegenseitige Intrigen und Mobbing nehmen zu. Empirisch nachgewiesen ist, dass Mobbingtäter überdurchschnittlich häufig Männer in Vorgesetztenpositionen sind, die durch ihre betriebliche Machtposition sehr oft viel Nutzen von Mobbing haben. In den Studien wurden ferner als Ursachen Inkompetenz, Feindseligkeit und Konkurrenz nachgewiesen (Schwickerath et al., 2004;Neuberger, 1999).Weitere Sonderbelastungen für Frauen sind die oftmals schlechtere Bezahlung bei gleicher Arbeit sowie der erschwerte Wiedereinstieg in den Beruf (meist von Frauen nach der Elternzeit). Dieser geschieht, wenn überhaupt, mit erheblichen finanziellen Verlusten. Auch, weil Firmen das Teilzeitgesetz oft unterlaufen (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 2001). Kaum eine Frau kann ihre Karriere finanziell dort fortsetzen, wo sie nach der Geburt ihres ersten Kindes aufgehört hat. Dies führt zu Frustrationen und oft immer noch zu dauerhafter finanzieller Schlechterstellung, besonders in Berufen mit ohnehin niedriger Bezahlung (Bücker-Gärtner & Hopf, 2000; Helfmann & Schulze, 2000).
In den letzten Jahren erleben wir eine zunehmende Entgrenzung von Erwerbs- und Hausarbeit dadurch, dass Dienstleistungen, die früher von Unternehmen erbracht wurden, heute auf den Menschen im Privatbereich abgewälzt werden, um Kosten zu sparen (z.B. das Ausfüllen von Banküberweisungen). Auch zunehmende Automation führt dazu, dass der Mensch im häuslichen Bereich mit der Handhabung von Maschinen und Geräten nicht nur ent-, sondern auch belastet wird. Immer häufiger gibt es Arbeitsplätze, bei denen das Personal nach Bedarf kurzfristig angefordert wird. Dies bedeutet einen massiven Eingriff in das häusliche Leben für alle Familienmitglieder und große Planungsunsicherheit. Auch die von der Wirtschaft geforderte Mobilität führt zu erheblichen Belastungen des Privatlebens und damit des häuslichen Arbeitsplatzes. Berufsbedingte Trennungen von Partnern führen zu psychischen Belastungen, ungleicher Verteilung der Familienarbeit sowie zu vermehrter Erziehungsleistung und Zuwendung zu den Kindern, damit sie die Veränderungen verkraften, bzw. positiv nutzen können. Die Zunahme flexibler Arbeitszeiten, erhöhte Wochenarbeitszeiten, unfreiwillige Überstunden und die Verdichtung der Erwerbsarbeit lassen kaum noch Zeit und Kraft für ein Privatleben zu Hause und führen zu einer Selbstausbeutung.
Obwohl in einem reinen Erwachsenenhaushalt die Notwendigkeiten häuslicher Grundversorgung für alle gleichermaßen gegeben sind, fühlen sich meist Frauen verstärkt dafür zuständig. Und wenn für die erschöpfenden monoton wiederkehrenden Arbeiten Unterstützung gesucht wird, sind es wiederum meist Frauen, die für niedriges Entgelt Haushaltshilfe leisten. In einem Haushalt mit Kindern bzw. Pflegebedürftigen sieht es meist so aus, dass die erwerbstätigen Eltern (bzw. Alleinerziehende) erschöpft und entspannungsbedürftig nach Hause kommen, um unter Druck die anstehenden häuslichen Arbeiten zu leisten. Als unmittelbare Folge bleibt wenig Zeit und Muße für Kinder bzw. Pflegebedürftige, für die Zubereitung gesunder Mahlzeiten, für partnerschaftliche Gespräche und sensiblen Umgang mit unmittelbaren Anforderungen (wie z.B. einem schreienden Baby). Die Zahl der Ehescheidungen nimmt zu. Es gibt immer mehr Alleinerziehende. Dabei entstehen auch zusätzliche Belastungen durch Ex-Beziehungs-Stalking, wobei 81% der weiblichen Opfer schon während der Beziehung physische Gewalt erfuhren. Sowieso sind 85% der Opfer beim Stalking Frauen (Wondrak et al., 2006; Voß et al., 2006; Tjaden, 1997, 1998). Finanzielle Einschränkungen erhöhen den häuslichen Druck. Bei getrennt lebenden Eltern ist die Lebensführung in zwei Haushalten teurer. Finanzielle und steuerliche Abhängigkeiten bestehen weiter. Die meisten unterhaltspflichtigen Männer zahlen kaum Unterhalt. Frauen verlieren immer noch bei der Geburt des ersten Kindes oft ihren Erwerbsarbeitsplatz. Das Recht auf Teilzeitarbeit wird oft umgangen, und die Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind immer noch unzureichend. Haushalte Alleinerziehender geraten in finanzielle Not. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Gesundheit und Einkommen. (Psychische) Erkrankungen nehmen zu. Überlastungen von Frauen durch Erziehungs- und Hausarbeit können zu psychischen Erkrankungen führen (z.B. Angst- und Panikattacken, Depressivität, Sucht). Schlecht ausgebildete Frauen suchen Sicherheit in Heirat und Kindern. Sie sehen keine Chancen für sich in einer sich verschärfenden Erwerbsarbeitswelt. In traditionellen Ehen (Mann ist berufstätig, Frau arbeitet im häuslichen Bereich) entsteht ein wirtschaftliches Ungleichgewicht, sodass Macht ausgespielt werden kann. Berufsausbildungen von Frauen werden kaum genutzt, was zu Frustrationen führen kann. Oft reicht ein Einkommen für den Lebensunterhalt nicht mehr aus. Die zunehmende zeitliche Befristung von Arbeitsverträgen führt zu Unsicherheiten in der Familien- und der Haushaltsplanung: Wenn ein Partner erwerbslos wird, kann der andere, nichterwerbstätige nicht aushelfen.
In der Erwerbsarbeit können u.a. regelmäßige Teambesprechungen und professionelles Konfliktmanagement an allen Arbeitsplätzen die Gesundheit fördern. In den Niederlanden müssen Arbeitgeber bis zu zwei Jahre Krankengeld zahlen. Folglich kümmern sich Betriebe verstärkt um gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen.
Um die Gesundheit von Frauen in der Erwerbs- und Familienarbeit zu verbessern, müssen gerechte Erwerbsbedingungen hergestellt und zugleich der Wert der Familienarbeit für die Gesamtgesellschaft anerkannt werden.
Verlässliche Vertrauensbeziehungen in der frühen Kindheit sind grundlegend für spätere soziale Kompetenzen, Leistungsfähigkeit, Lebenszufriedenheit und Konfliktfähigkeit (Ahnert, 2008; Becker-Stoll, 2008; Grossmann & Grossmann, 2006). Die Politik kann den Menschen diese Entwicklungsaufgaben nicht abnehmen, aber sie kann Rahmenbedingungen fördern, um diese zu erleichtern. Damit ist vielen Leiden und Folgekosten vorgebeugt.
Es sollte normal werden, dass Frauen und Männer finanziell auf eigenen Füßen stehen und persönlichen Freiraum haben. Ebenso normal sollten berufliche (Teil-) Auszeiten zur Wahrnehmung von Familien- und anderen gesellschaftlichen Aufgaben sein, mit dem Angebot professioneller Begleitung für den Wiedereinstieg.
30 BDP • Psychologie Gesellschaft Politik – 2008
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Literatur
Ahnert, L. (im Druck). Bindungsentwicklung im Spannungsfeld von Familie und öffentlicher Betreuung. Internationales und interdisziplinäres Symposium der Theodor- Hellbrügge- Stiftung 1. und 2.12.07: Wege zu sicheren Bindungen in Familie und Gesellschaft – Prävention, Begleitung, Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Babitsch, B. (2005). Soziale Ungleichheit, Geschlecht und Gesundheit. Bern: Huber.
Becker-Stoll, F. (im Druck). Von der Eltern-Kind- Bindung zur Erzieher-Kind-Beziehung. In Wege zu sicheren Bindungen in Familie und Gesellschaft - Prävention, Begleitung, Beratung und Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Bücker-Gärtner, C. & Hopf, S. (2000). Arbeit und Gender aus psychologischer Sicht. Zeitschrift für Politische Psychologie, 8 (2+3),123-124.
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.). (2001). Teilzeit – alles, was Recht ist (Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge). Verfügbar unter http://www.bmas.de/coremedia/generator/1426/property=pdf/teilzeit__alles__was__rec ht__ist.pdf [25.03.2008]
Grossmann, K. & Grossmann, K. E. (2006). Bindungen – das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta.
Helfmann, B. & Schulze, F. (2000). Arbeitszeitverkürzung: Auswirkungen auf die 24-Stunden- Belastung von Frauen und die ihrer männlichen Haushaltspartner. Zeitschrift für Politische Psychologie, 8 (2+3), 249-260.
Leymann, H. (Hrsg.). (1995). Der neue Mobbing- Bericht. Reinbek: Rowohlt.
Meyers Lexikonverlag (Hrsg.). (2003). Meyers Grosses Taschenlexikon. Mannheim: Brockhaus.
Neuberger, O. (1999). Mobbing – Übel mitspielen in Organisationen. München: Rainer Hampp Verlag.
Sadik, N. (1994). Weltbevölkerungsbericht 1994 – Entscheidungsfreiheit und Verantwortung. Bonn: UNO-Verlag.
Schwickerath, J., Carls, W., Zielke, M. & Hackhausen, W. (2004). Mobbing am Arbeitsplatz. Lengerich: Pabst Science Publishers.
Tjaden, P. & Thoennes, N. (1998). Stalking in America: findings from the National Violence against Women Survey. Washington, DC: U.S. Department
of Justice, National Institute of Justice.
Tjaden, P. & Thoennes, N. (1997). Stalking in America: findings from the National Violence against Women Study. Washington, DC: U.S. Department of Justice, National Institute of Justice.
Voß, H.-G., Hoffmann, J. & Wondrak, I. (2006). Belästigung – Bedrohung – Gefährdung: Stalking aus Sicht des Stalkers. In J. Hoffmann & H.-G. Voß (Hrsg.), Psychologie des Stalking. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.
Wondrak, I., Meinhardt, B., Hoffmann, J. & Voß, H.-G. (2006). Opfer von Stalking-Ergebnisse der Darmstädter Stalkingstudie. In J.Hoffmann & H.- G. Voß (Hrsg.), Psychologie des Stalking. Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.
Report Psychologie 10/2007; S. 462-463
Das Konzept geschlechtsspezifische Gesundheit wurde von der Frauengesundheits-bewegung in den 70 er Jahren entwickelt. Zentral war hier endlich die Forderung nach dem Recht auf Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper. Statt des bis dahin vorherrschenden rein technisch, organ- und funktionsbezogenen Verständnis der Medizin postulierte man nun auch die Einbeziehung von sozialen und psychischen Faktoren, unter denen Krankheit entsteht, behandelt wird und unter denen Gesundheit erhalten bleibt. Nach dieser fundamentalen Richtungsänderung setzten sich nun auch erstmals die Sozialwissenschaften über gesellschaftlich orientierte Konzepte mit der Gesundheit von Frauen auseinander.
Schließlich wurden wichtige Prinzipien für frauenspezifische Gesundheitswissenschaften festgelegt: Dazu gehörte ein positiver Gesundheitsbegriff (Gesundheit als Wohlbefinden, Selbstwertgefühl, Handlungsfähigkeit). Frauen sollten lernen einen Anspruch auf Gesundheit zu stellen und auch durchzusetzen. Nicht nur spezifische medizinische oder biologische Risiken waren wichtig, sondern auch die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen in Beruf und Familie, zusätzlich sollten für Frauen gesundheitsförderliche Lebenswelten geschaffen werden und sie sollten sich auch aktiv für ihre Gesundheit einsetzen können.
Damit war die Frauengesundheitsbewegung und -forschung ein wichtiger Antrieb für die Entstehung neuer Public-Health-Konzepte.
Bei wissenschaftlichen Bestandsaufnahmen in Ländern wie den USA mit einem hohen Stand an Public-Health-Forschung zeigte sich, dass Frauengesundheitsprobleme bisher nur mangelhaft untersucht wurden.
So fand man im Bereich der Epidemiologie, der klinischen Forschung, der Versorgungsforschung, der Gesundheitspsychologie und -soziologie sehr große Wissensdefizite: Beispielsweise wurden Ergebnisse klinischer Studien für medikamentöse Therapien in der Praxis auf Frauen übertragen, obwohl die Wirkungen nur an männlichen Populationen untersucht worden waren (Instítute of Medicine, 1994).
Mit Aufbau der Public Health-Forschung in Deutschland wurde die gesundheits-bezogene Frauen und Geschlechterforschung sehr wichtig. Zusätzliche Bedeutung erhielt die geschlechtsbezogene Gesundheitsvorsorge mit der europäischen Politik des Gender Mainstreaming. Als ganz wichtiger Erfolg ist hier der erste Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland, der 2001 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend publiziert wurde, zu nennen. Dieser Frauengesundheitsbericht hatte für die Frauengesundheitspolitik und Versorgung eine ganz wichtige Orientierungsfunktion. Auch Bundesländer und Kommunen zogen nach und veröffentlichten geschlechtsbezogene Gesundheitsberichte.
In diesem ersten Frauengesundheitsbericht beschäftigte man sich zum ersten Mal hier in Deutschland ganz umfassend mit den für Frauen wichtigen Gesundheitsthemen (wie z.B. reproduktive Gesundheit, neuere Trends in der Entwicklung chronischer Erkrankungen wie Herzinfarkt und Brustkrebs. Gesundheitliche Belastungen von Frauen im Erwerbsleben, Frauen im mittleren Lebensalter, gesundheitliche Versorgung von Prostituierten), außerdem stellte man nun endlich einen Zusammenhang der Daten im Kontext wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lebensweltlichen Einflussfaktoren und zum Versorgungsbedarf von Frauen im Gesundheitswesen her. Zusätzliche weitere politische Entwicklungen waren in den nächsten Jahren die vorübergehende Einrichtung einer Bundeskoordinationsstelle Frauengesundheit oder beispielsweise die Arbeit einer Enquetekommission zu Frauengesundheit in NRW.
Frau Prof. Dr. Ducki beschäftigt sich seit Jahren mit dem Arbeitsschwerpunkt Frauen, Arbeit und Gesundheit. Sie ist seit Oktober 2002 Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Technischen Fachhochschule Berlin im Fachbereich 1: Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften.
In einem Vortrag während einer Frauenveranstaltung im Museum Saarbrücken analysierte sie die psychischen Arbeitsbelastungen und Ressourcen von Frauen und formulierte Forderungen für eine geschlechtsspezifische Gesundheitsförderung. Sie beschrieb zunächst die Besonderheiten der Arbeitsbedingungen von Frauen, die zum einen in der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes, andererseits in der geschlechtsspezifischen Verteilung der Haus- und Familienarbeit liegen. So erledigten nach einer europäischen Umfrage von 2000 noch 64% der Frauen (Männer:13%) Arbeiten wie Kochen, 63% Frauen Hausarbeit (Männer 12%), und 41 % Frauen (Männer 24%) Kindererziehung. Effekte der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes zeigen sich vor allem darin, dass über die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in fünf Berufsgruppen (Büroarbeitskräfte, Reinigungsberufe, Warenkaufleute, Sozialpflegerische Berufe und Gesundheitsdienstberufe) arbeiten. Weitere Besonderheiten sind, dass Frauen vor allem in konjunkturabhängigen und rationalisierungsgefährdeten Arbeitsplätzen in Produktion und Dienstleistung arbeiten. Außerdem sind Frauen deutlich seltener in den oberen Hierarchieebenen zu finden. So arbeiten nach dem IAB-Betriebspanel (2004) in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten nur vier Frauen in der ersten Führungsebene. Auch in Hinblick auf die Einkommen sind Frauen noch weiterhin massiv benachteiligt. Sie verdienen ein Drittel weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Auch wenn man Arbeitszeiten vergleicht findet man sehr starke Unterschiede: 37% Frauen aber nur 7% Männer sind in Europa teilzeitbeschäftigt. Erschwerend ist auch, dass noch zahlreiche Vorurteile hinsichtlich spezifisch weiblicher Verhaltensweisen und Kompetenzen bestehen. Diese Effekte der Segregation des Arbeitsmarkts wirken sich nun wiederum auf die psychosoziale Gesundheit von Frauen aus, so können sich u. a. abwertende und diskriminierende Grundhaltungen in spezifischen Benachteiligungen und Belastungen wie bspw. sexueller Belästigung am Arbeitsplatz äußern.
Ducki setzte sich nun im weiteren Verlauf ihres Vortrages mit Themen wie der generellen Funktion der Erwerbsarbeit für Gesundheit und Persönlichkeit (u. a. Autonomie und Unabhängigkeit) auseinander und legte Qualitätsmerkmale gesundheitsgerechter Arbeit dar.
Sie stellte sehr anschaulich beispielhafte Forschungsergebnisse zu Belastungen und Ressourcen der Frauenerwerbsarbeit dar. Als Konsequenzen für eine geschlechtsspezifische Gesundheitsförderung forderte Frau Prof. Dr. Ducki schließlich:
SR online (17.11.2004)
Der beißende Körpergeruch eines engen Mitarbeiters gehört zu den schlimmsten Nervtötereien, mit denen man sich nach Erkenntnissen des Wirtschaftsmagazins »Junge Karriere« am Arbeitsplatz auseinander setzen muss.
Nach einer Online-Umfrage der Zeitschrift mit 354 Teilnehmern fühlen sich allgemein drei von vier Deutschen von ihren Kollegen genervt. Ein gutes Drittel (37,6 Prozent) der Befragten empfindet den Geruch seines bzw. seiner Mitarbeiter(s) als besonders unangenehm.
Mit nur 15 Prozent lassen sich weit weniger Arbeitnehmer durch häufige Privatgespräche ihrer Kollegen stören, und etwa eben so viele (14 Prozent) treibt der mangelnde Ordnungssinn ihres Mitstreiters auf die Palme. Auch das Fenster ist immer wieder Anlass für Ärger: Immerhin sieben Prozent der Befragten können sich regelmäßig nicht einigen, ob das Fenster offen oder geschlossen sein sollte.
Wie aber kann man derartige Störfaktoren ausschalten, Konflikte entschärfen - ohne die Gefühle des »Störenfrieds« zu verletzen? Dazu die saarländische Arbeitspsychologin Monika Fixemer: »Generell gilt, dass möglichst früh nach einer Konfliktlösung gesucht werden sollte. Bitten Sie Ihren Kollegen sehr höflich um ein gemeinsames Gespräch, und vermeiden Sie von vorneherein, dass das klärende Gespräch beispielsweise durch Mithörer oder durch Telefonanrufe gestört werden kann.« Wichtig sei auch eine entspannte Atmosphäre. Bei der Wahl von Ort und Zeit für das gemeinsame Gespräch sollte man sich nach den Wünschen Ihres Kollegen richten.
Fixemer rät, auch das klärende Gespräch selbst gut vorzubereiten. Sehr wichtig dabei: »Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus, konfrontieren Sie Ihren Kollegen also nicht mit Vorwürfen. Leiten Sie stattdessen die Aussprache mit positiven Aspekten ein: Sprechen Sie zunächst die eigentlich gute Zusammenarbeit an und vermitteln Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie ihn wertschätzen«.
Im Gespräch sollte man erst allmählich auf das Problem oder den Konflikt eingehen und stets sachlich bleiben: »Machen Sie deutlich, wie Sie das Problem aus Ihrer Sicht empfinden und wie sehr es Sie persönlich belastet", meint Fixemer, "wenn beispielsweise häufige Privatgespräche Ihres Kollegen für Ärger sorgen, dann stellen Sie heraus, dass sich dies auf Ihre Konzentration auswirkt und dass Sie unnötig viele Fehler in Ihrer Arbeit begehen«.
Wenn das Problem im ganz persönlichen Bereich des Kollegen liege, wie beispielsweise ein beißender Körpergeruch, dann sollte besonders behutsam vorgegangen werden. »Sie können Ihrem Kollegen die Situation erleichtern, in dem Sie eigene Probleme mit diesem Thema aufgreifen und mit ihm gemeinsam nach Lösungsvorschlägen suchen, wie beispielsweise Kleidung aus Naturtextilien«, so Fixemer.
Gerade bei Konflikten wie »offenes/geschlossenes Fenster« oder »Rauchen am Arbeitsplatz« sollte man sich nicht scheuen, die Vereinbarungen auch schriftlich zu fixieren. Psychologin Monika Fixemer: »Damit schaffen Sie Spielregeln, denen sich alle Kollegen verpflichtet fühlen«.
Reitler/Schmitz
Saarbrücker Zeitung NR. 48 – DONNERSTAG, 26. FEBRUAR 2004
Rubrik SAARLAND UND NACHBARN
Saarbrücken (nip)
Monika Fixemer, Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und PsychoIogen(BDP) an der Saar hat arbeitsreiche Tage hinter sich. »Ich habe in den vergangenen Wochen 280 Unternehmen an geschrieben,« berichtet sie der »SZ«. Der Grund dafür: Sie macht auf die DIN-Norm 33430 aufmerksam. »Das ist die erste Norm im Bereich sozialer Dienstleistungen: Sie regelt die Qualitätssicherung bei Eignungsbeurteilungen von Einstellungsgesprächen.« Die Norm wurde schon im Juni 2002 veröffentlicht, aber umgesetzt werden muss sie in den Betrieben. Deshalb hat Fixemer alle Firmen und Organisationen kontaktiert, die 150 oder mehr Mitarbeiter beschäftigen, um für diese freiwillige Regelung zu werben.
Mit der DIN gebe es endlich eine Norm für Eignungs-Tests, die allen Bewerbern um einen Job oder eine innerbetriebliche Führungsposition zumindest die Chance auf eine faire Beurteilung bietet. Laut Fixemer werden allein in Deutschland pro Jahr 20 Millionen Personalentscheidungen getroffen. Immer noch würden über 80 Prozent der Eignungs-Beurteilungen von Nicht-Psychologen vorgenommen.
Die Norm beschreibe zudem, wie Eignungs-Beurteilungen zu planen und durchzuführen sind. Auch Qualifikationsanforderungen würden konkret beschrieben. Beispielsweise für Anbieter von Dienstleistungen, aber auch für Auftraggeber in Organisationen, die damit Angebote externer Dienstleister auf ihre Brauchbarkeit abklopfen können. »Außerdem können Personalverantwortliche damit die Qualität von Beurteilungen sichern und optimieren,« erklärt die Psychologin. Den größten Nutzen hätten in des die Kandidaten. »Sie werden vor unseriösen Vorgehensweisen und missbräuchlicher Anwendung von Verfahren in der Eignungsbeurteilung geschützt,« erklärt Fixemer. Ein weiteres Ziel der Normierung: Man wolle damit »schwarzen Schafen« unter den Anbietern von Eignungs-Tests das Handwerk legen.
Saarbrücker Zeitung, 26.02.2004
Von Alexandra Raetzer
Saarbrücken.
Wer systematisch und dauerhaft Kränkungen und Attacken von Kollegen ausgesetzt ist, wird nicht selten schwer krank. Längst ist das Phänomen des so genannten Mobbings bekannt, von dem Männer wie Frauen, Vorgesetzte wie Untergebene gleichermaßen betroffen sein können. In Saarbrücken gibt es ab sofort eine »Arbeitsplatzkonflikt- und Mobbingberatungsstelle«, mit der der Verein gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V. (VPSM) mit Sitz in Wiesbaden seinen ... Fachverbund der unabhängigen Arbeitsplatzkonflikt- und Beratungsstellen Deutschland ... im Saarland ausbauen will.
Ansprechpartner für Betroffene ist in Saarbrücken die Diplom-Psychologin Monika Fixemer. Auf Grund langjähriger Erfahrungen im Reha-Bereich weiß sie, welch weit reichende Folgen Mobbing haben kann: “Es gibt ganz schlimme Fälle, die bis hin zu Selbstmordgedanken und Berufsunfähigkeit führen.” Weitere Folgen von Mobbing seien psychosomatische Beschwerden, Depressionen oder gar das so genannte posttraumatische Stress-Syndrom, unter dem auch Opfer von Vergewaltigungen oder anderer extremer Gewalterfahrungen leiden. Zurückzuführen, so erklärt Fixemer, sei das Phänomen unter anderem auf die derzeitige wirtschaftliche Situation: »Die Konjunktur lahmt, keiner ist sich seines Jobs mehr sicher, Existenzängste, Führungsprobleme und die Unfähigkeit aller Beteiligten, Konflikte anzusprechen, summieren sich.« Leidtragende, so weiß Monika Fixemer, »sind Personen, die im Betrieb sowieso schon eine schwache Position besitzen, wie etwa Altere über 50 Jahre oder Frauen«. Doch auch besonders kreative oder fleißige Mitarbeiter sind in außergewöhnlich hohem Maß von Mobbing bedroht Kein Wunder, ist Neid doch eine der Hauptursache von Mobbing-Handlungen. Das jedenfalls ist das Ergebnis der so genannten Halama-Studie aus dem Jahr 1995, die den Gründen von Mobbing aus Sicht der Betroffenen nachspürt Als weitere Ursachen werden hier auch Hinterlist, Eigennutz und Bosheit angegeben. Im Arbeitsalltag tritt Mobbing in unterschiedlichster Form zu Tage: Man verbreitet üble Gerüchte über den Betroffenen, greift ihn verbal oder körperlich an, schikaniert ihn und drängt ihn schließlich in die soziale Isolation.
»Im Rahmen der Beratung versuche ich, diese Isolation zu durchbrechen«, erläutert Fixemer. »Denn wenn Freunde oder Angehörige sich nicht immer wieder die gleichen Geschichten aus dem Büro anhören wollen, steht der Betroffene alleine da.« Zugleich, so weiß die Psychologin, können sich Gemobbte oftmals mit nichts anderem mehr befassen. Im Kopf kreist alles um die unerträgliche Situation am Arbeitsplatz. Doch nicht überall, wo das Betriebsklima schlecht ist, kann von Mobbing die Rede sein, stellt Fixemer klar. Daher müsse im Beratungsgespräch festgestellt werden, ob es sich im Einzelfall um Mobbing oder aber um einen Arbeitsplatzkonflikt handle.
In einem nächsten Schritt bemüht sich die Psychologin, den Konflikt durch Vermittlung, etwa in Form einer (Wir bemühen uns u.a.) durch Mediation, zu entschärfen. Ist der Arbeitgeber dazu nicht bereit, greift das so genannte »Coaching«. Geplant sei außerdem, mit juristischen Beratern zusammenzuarbeiten. Außerdem bemühe sich ein Kollege aus Berlin derzeit darum, dass das Hilfsangebot der Arbeitsplatz- und Mobbingberatungsstellen künftig von den Krankenkassen bezahlt wird. Derzeit müsse der Betroffene für die professionelle Hilfe noch selbst in die Tasche greifen. Stimmt der Arbeitgeber jedoch einer Mediation zu, so hat er für die dadurch entstehenden Kosten selbst aufzukommen.
Nähere Informationen gibt es bei der Arbeitsplatz- und Mobbingberatungsstelle Fürstenstraße 17 (Am Stadtgraben), D 66111 Saarbrücken, sowie unter (0681)9386975.